Sehen, was anders werden kann

16.07.2024

Newsletter Juli 2024

VON PRÖPSTIN CHRISTINA-MARIA BAMMEL

In einer Kirche zu schaukeln beflügelt, lässt für den Moment die hartnäckige innere Trägheit vergessen und inspiriert zum Perspektivenwechsel, der schon an sich ein Segen sein kann. Unbedingt empfehlenswert in der Johanniskirche Eberswalde! Hier schaukelt man durch einen Visions- und Zukunftsraum (https://www.kirche-barnim.de/handeln/johanniskirche-eberswalde) .

Die Krise der Imagination

Solche Räume braucht es in einer Zeit, der der Sozialpsychologe Julian Bleh (https://e-fect.de/team/julian-bleh/) eine „Krise der Imagination“ bescheinigt. Keine Vorstellung vom Ausweg aus dem, was gerade mit diesem Planeten geschieht, dann auch keine Auswege. Manche sprechen von Klimakommunikationskrise. So viel Krise. Darüber kann man betreten zu Boden schauen, hilflos träge die Schultern zucken. Oder man kann nochmal Schwung holen wie mit einer großen Schaukel der Imagination, des Staunens, der Inspiration. Der Kirchenkreis Eberswalde hatte längst Schwung geholt. In der Johanniskirche, aber nicht nur da, kann man angesichts von dauerimprovisierten Leuchtpünktchen an den Wänden das Funkeln der Zukunft imaginieren. Hier kann man anders über Verwandlung und Wandel nachdenken, ohne gleich davor zurückzuschrecken, wie groß die Aufgaben heute für die Kommenden sind. Aber auch ohne gleich alle zu verschrecken, ohne die altbekannten Reflexe zu triggern. Kirche ist der Erprobungsraum für Utopien. Das ist Teil unserer Mission. Dazu gleich.

Die Schaukel – übrigens eines der Ergebnisse der Bürgerbeteiligung an der Johanniskirche in Eberswalde - bringt die Gedanken in Schwung und den Puls etwas runter, wenn da nicht Kirchenbänke bedrohlich nahekämen. Beim Zusammenstoß mit ihnen würde man den Kürzeren ziehen. Kirchenbänke haben eine beinharte, standfeste Beharrlichkeit, nicht zuletzt, weil ihr Erhalt mitunter in der Perspektive des Denkmalschutzes fast den Rang einer Bekenntnisfrage einzunehmen scheint. Dabei sind jetzt Bekenntnisfragen ganz anderen Ranges entscheidend.

Bekenntnisfragen in extremen und katastrophalen Zeiten

Woher kommt der Menschheitsfamilie die Kraft, sich gegen das massenhafte, stille Sterben in der Schöpfung zu stellen? Autor Constantin Seibt: „Es ist keine kleine Sache, wenn man seinen Kindern eine Welt hinterlässt, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ziemlich nah an den biblischen Plagen gebaut ist: mit Dürren, Stürmen, Sintfluten, Hungersnöten, Tyrannei, Parasiten, Seuchen und Krieg. Und wahrscheinlich nicht nur den Kindern. Das, weil mit zunehmender Erwärmung die Prozesse selbst­verstärkend laufen: Schrumpfende Eisflächen reflektieren weniger Sonnenlicht – mehr Hitze; eine auftauende Tundra entfesselt das eingefrorene Methanlager – mehr Hitze; der Brand trockener Wälder setzt das gespeicherte CO2 frei – mehr Hitze; das Inlandeis wird instabil – der Meeresspiegel steigt wie ein stabiler, weltweiter Tsunami um bis zu 15 Meter … etc. Das Katastrophale daran ist nicht nur die beispiellose Größe der Katastrophe. Sondern auch ihre fast ebenso beispiellose Natur. Die Klimakatastrophe ist eine, die den klassischen Lernprozess der Menschheit unterläuft: Man ignoriert alle Warnungen, richtet ein Desaster an – und ändert etwas. Wir haben gelernt zu reparieren. Doch die Klimakatastrophe läuft anders. In dem Moment, wo sie für alle sichtbar eintrifft, ist sie nicht mehr rückgängig zu machen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Blindheit von heute die Welt für Jahrhunderte verwüstet. Wobei auch das noch zu kurz gedacht ist. Denn falls sich die ForscherInnen nicht irren, befinden wir uns am Anfang des sechsten Massenaussterbens der Erdgeschichte – mit einer immer schneller laufenden Aussterberate.“ (https://www.republik.ch/2024/06/19/ein-kind-meiner-zeit). 

Von der Wahrheitsrede zur Hoffnungsrede

Erst die Wahrheitsrede macht die Hoffnungsrede glaubwürdig, sonst würde sie zur Vertröstung. Das Statement war zu hören auf dem Podium anlässlich der Christlichen Begegnungstage in Frankfurt/Oder, unter anderen mit Prof. Dr. Wolfgang Lucht vom Klimaforschungsinstitut Potsdam (www.pik-potsdam.de/members/wlucht/homepage-de), katholischen Geschwistern und VertreterInnen der Evangelischen Kirche Österreichs. Wolfgang Lucht ist neben allerhöchster wissenschaftlicher Expertise bekannt für seinen glasklaren Blick auf das, was der Evangelischen Kirche, was ChristInnen in Gemeinschaft, zu sagen und zu tun gut ansteht: „Stehen wir auf für das Leben oder für den Tod? Wer wegsieht von der tiefen Gefährdung der Integrität der Ökosphäre der Erde, als Lebensraum der Menschen und allen Lebens, der kann den Bund Gottes mit den Menschen nicht halten.“ (Das Wasser der Nachfolge: Ein Manifest, erschienen in: B. Bertelsmann/ K. Heibel (Hg.), Leben im Anthropozän. Oekom Verlag, 2018)

Stewardship for earth

Auf den Begegnungstagen in Frankfurt/Oder wie in der Eberswalder Johanniskirche, die am 4. Juli 2024 im Rahmen einer Klima-Tour durch die EKBO stattfand, lag klipp und klar auf dem Tisch: Wir haben unsere Verstrickung in Konsum und Besitzstandswahrung, hohen Ressourcenverbrauch zum Wohlstandserhalt ebenso zu bekennen wie das, was uns mit der Hoffnungskraft zum Handeln ausstattet: Es ist der Auftrag zur Schöpfungssorge - „Stewardship for earth“. Beides also eine Frage des Bekenntnisses. Bekenntnisse geben einer gemeinsamen Haltung, geboren aus Erkenntnis, Glaube und Hoffnung, eine Sprache und bereiten den Boden für die nächsten Schritte. Kleine Schritte sind ja nicht einfach nur kleine Lösungen. Die biblischen Schöpfungserzählungen waren mal ermutigender, identitätsstiftender Widerspruch für die jüdischen Ersthörenden - etwa als Antwort gegen übermächtige babylonische Mächte. Mit der Schöpfungserzählung in eine Probiersphäre des Utopischen gehen, das beginnt mit der Haltung des Staunens und der Ehrfurcht. Die Kraft der Ehrfurcht verbindet sich mit der Kraft der Erkenntnis. Sie wird uns zum Auftrag: stewardship – global, lokal, vor allem verbunden mit der weltweiten Ökumene gesprochen!

Weniger dystopisch – mehr utopisch

Zurück zur Krise der Vorstellungskraft und zu dem, was zum Beispiel Julian Bleh (s.o.) dagegen anregt: „Die meisten Menschen können sich überhaupt nicht vorstellen, wie ihr Leben in einer sozial und ökologisch gerechten Gesellschaft aussähe. Wir reden ständig über Maßnahmen, Heizungsgesetz dort, CO2-Preis hier, aber beschäftigen uns gar nicht damit: Wo genau wollen wir damit hin? Und weil uns die Vorstellungskraft fehlt, ist die Bereitschaft gering, sich auf Veränderungen einzulassen.“ Darum nicht immer tiefer hineinschaukeln in Dystopien, sondern aus der Kraft der Visionen die nächsten Schritte finden. In der Johanniskirche und darüber hinaus ist das möglich (https://www.kirche-barnim.de/fileadmin/sites/kirche-barnim.de/Dateien/Pressemitteilungen/2024-07-08_PM_KKBarnim_Klimaschutz_ist_machBAR_final.pdf).

Jeder Tag ein „Schöpfungstag!“ Besonders am 06. September 2024 in Eberswalde

Damit sind wir längst nicht fertig. Reden wir - etwa am bundesweiten Tag der Schöpfung (gemeinsam mit ACK Deutschland) am 6. September 2024 in Eberswalde. Hier schon mal ein Blick in die Texte des Schöpfungstages: https://www.oekumeneack.de/fileadmin/user_upload/schoepfungstag/Eberswalde_2024/ACK_GoDiHeft_2024_download.pdf

Was ist noch in Vorbereitung? Ein Workshop zur Donut-Ökonomie mit Prof. Dr. Martin Welp von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Er ist übrigens zugleich ehrenamtliches Mitglied im EKBO-Zentrum für Dialog und Wandel / https://zdw.ekbo.de/startseite.html.  Alle, die mögen, erwartet ein Ökumenischer Gottesdienst. Vielleicht bleibt dann ja auch noch Zeit, einige der geplanten Interviews mit Erzbischof Koch, Bischof Stäblein, Ministerpräsident Woidke sowie Bürgermeister Götz Hermann mitzuerleben.

Wir sehen uns.

Christina-Maria Bammel

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